Neues Format: Interviews mit Fachredakteur*innen

01.12.2021
„In Pressemitteilungen erfahre ich jede Woche Nützliches für meine Arbeit“ - Interview mit Patrick Prather, leitender Redakteur IT & Production
pexels | Dominika Mazur
Interview mit Patrik Prather - Redaktionsleitung / Managing Editor bei IT & Production

„In Pressemitteilungen erfahre ich jede Woche Nützliches für meine Arbeit“ - Interview mit Patrick Prather, leitender Redakteur IT & Production

[Lesezeit 4 min] Jeden Tag erhalten Fachredaktionen eine Vielzahl an Content Pieces von Unternehmen, verbunden mit der Hoffnung des Absenders auf Verbreitung der frohen Botschaft. Für uns als Agentur und für Sie als Kommunikationsverantwortliche daher überlebenswichtig: nah dran sein; wissen, was die andere Seite des Schreibtisches braucht und was nicht. Was läuft gut in der B2B-PR aus Sicht der Fachmedien, was ist ein „Entwicklungsfeld“? Was wünschen sich die Redaktionen von Kommunikationstreibenden und wohin steuern Medienarbeit und Fachjournalismus?

Neben den Gesprächen im Tagesgeschäft, aus denen man bereits viele Erkenntnisse gewinnen kann, befragen wir dazu ab jetzt Medienvertreter:innen und veröffentlichen ihre Antworten in loser Folge im TONNO DIGITALE, um sie mit Ihnen zu teilen. Den Auftakt bildet Patrick Prather, leitender Redakteur von IT & Production. Seine Antworten sind erhellend und haben Witz, aus ihnen spricht die eine oder andere konkrete Erfahrung mit unserer Zunft. Aber lesen Sie selbst.

Interviewpartner PratherPatrick Prather, IT & Production

Als Redakteur ist Patrik Prather im Dienst seiner Leserinnen und Leser unterwegs. Dabei gilt für ihn, dass Kommunikation ein Teamspiel ist und die Arbeit mit Agenturen durch gegenseitige Unterstützung geprägt sein sollte. PRlern rät er vom Werbespruch Abstand zu nehmen und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu ermöglichen.

TONNO DIGITALE: Was zeichnet für Sie gute Pressearbeit aus? Wie fällt man bei Ihnen mit guter PR auf?

Prather: „Meine Einschätzung bezieht sich nur auf den Teil der Pressearbeit, den ich als Redakteur eines ziemlich spezialisierten Fachmediums für Industriesoftware wahrnehme. Dahinter stehen eine ganze Reihe von Aufgaben und Sachzwängen, von denen ich allenfalls Reflexionen mitbekomme.

Wirklich zentral für unsere Zusammenarbeit mit PR-Abteilungen und Presseagenturen ist, dass sie mit dem Fachwissen ihres Unternehmens vernetzt sind. Ohne Draht zu erfahrenen Spezialisten kann die Sichtbarkeit in Fachmedien kaum dauerhaft über Nachrichtenmeldungen hinausgehen. Selbst fachlich sehr kompetente Agenturleute können das nicht kompensieren.

Gute Pressearbeit hilft mir täglich bei der redaktionellen Arbeit: Sie informiert mit klar formulierten Pressemitteilungen über die Aktivitäten eines Unternehmens. Gute Presseleute entwickeln ein Gespür, welche Themen besonders wichtig für Redaktionen sind und greifen auch mal zum Telefonhörer, um die Aufmerksamkeit auf eine gute Geschichte zu lenken. Professionell wirkt auf mich auch ab und zu ein verfügbares Themenportfolio an den Presseverteiler zu versenden – auch wenn wir von solchen Möglichkeiten selten Gebrauch machen.

Als Auftraggeber würde ich von Presseleuten übrigens auch erwarten, dass sie Ihre Kontakte spielen lassen, um Veranstaltungen, Produktlaunches, Messeauftritten zum Erfolg zu verhelfen. So sehr das wiederum uns Redakteure nerven kann... .“

TONNO DIGITALE: Und umgekehrt: Wie machen sich PRler bei Ihnen unbeliebt, was stört Sie an meisten?

Prather: „Nicht jede Agenturaufgabe ist gleich angenehm. Wenn die 800-Euro-Volontärin den ‚Ehrenjob‘ bekommt, die Fachredakteure einer Branche für das virtuelle Event eines ansonsten unsichtbaren Kundens zusammenzutrommeln, muss ich sogar schmunzeln. Meine Haltung der Volontärin gegenüber verändert das nicht – und ja, erfahrungsgemäß werden meist Frauen auf solche Aufgaben angesetzt.

Anderes stört die Arbeit tatsächlich. Wenn redaktionelle Projekte keine Rückendeckung haben, also Presseleute jede Kleinigkeit mit fachfremden Vorgesetzten abstimmen müssen. Oder wenn Agenturen kaum Vertrauen genießen und Extrafreigabeschleifen fahren müssen. Aber Kommunikation ist eben ein Teamspiel und Sportsgeist hilft bei Sieg und Niederlage gleichermaßen.

TONNO DIGITALE: In welcher Rolle sehen Sie PRler, wenn Sie an Ihre Arbeit denken: Sehen Sie sie als Dienstleister, Unterstützer, Gegenspieler, Bittsteller – oder in einer ganz anderen Rolle?

Prather: Als Redakteur bin ich im Dienst unserer Leserinnen und Leser unterwegs, PR-Leute stehen bei Auftrag- oder Arbeitsgebern unter Vertrag. Unter dieser Prämisse lassen sich die meisten Informationsaufgaben erledigen. Für die restlichen braucht es gegenseitige Unterstützung.

Als Bittsteller oder Gegenspieler agieren meine Agenturkontakte höchstens unter internem Druck, davon bekomme ich meist nichts mit. Wenn doch, hakte es schon an anderen Stellen als der Schnittstelle zwischen Agentur und Redaktion. Im Optimalfall arbeiten Fachredaktionen und Presseleute unter Rahmenbedingungen, die Zusammenarbeit auf Augenhöhe ermöglichen.“

TONNO DIGITALE: In welchen Bereichen sollten sich PRler unbedingt weiterentwickeln?

Prather: „Bitte verlernt den Werbesprech! Für meine Arbeit brauche ich den jedenfalls nicht.“

TONNO DIGITALE: Wie hat sich aus Ihrer Sicht die B2B-PR in den letzten Jahren qualitativ entwickelt? Zum positiven?

Prather: „Bei den Agenturen bemerke ich keine Ausschläge nach oben oder unten. Aber die Presseteams vieler Unternehmen haben ziemlich zugelegt, wahrscheinlich aus verschieden Gründen. Einmal schichten viele Firmen Ressourcen in Richtung Inbound-Marketing um. Der Bedarf an selbst produzierten Inhalten wächst rasant und ein Teil davon ist fachlich hochinteressant. Zudem werden offenbar verstärkt technologische Themen – und darauf fokussieren unsere Medien – aus der Ecke der Betriebsgeheimnisse genommen und als Beleg für die digitale Reife der Firma als Marketing-Instrument eingesetzt.

Ein weiterer Grund ist, dass viele produzierende Unternehmen, die wir zunächst als Rezipienten wahrnehmen, heute für eigene digital vernetzte Produkte trommeln und bei uns ‚senden‘ möchten. Das gilt besonders für die Automatisierungsbranche, aber auch den Maschinenbau insgesamt und die Automobilindustrie. Dieses breitere Wirkungsfeld erhöht die Qualität unseres Informationsangebotes, bilde ich mir ein.“

TONNO DIGITALE: Wie halten Sie es mit der Exklusivität, z. B. bei Autorenbeiträgen? Was ist Ihnen dabei wichtig?

Prather: „Dogmatisch gehen wir an das Thema Exklusivität nicht heran. Der Nutzen für unsere Zielgruppe zählt. Aber spätestens online braucht kein Mensch den gleichen Artikel auf fünf Websites.“

TONNO DIGITALE: Welche Rolle spielen Pressemitteilungen heute noch für Ihre Arbeit?

Prather: „Bei uns sind Pressemitteilungen der kürzeste Weg zur Meldung – und einer nachgelagerten Berichterstattung. Relevanz schlägt Aufmachung! Ich erfahre in Pressemitteilungen jede Woche Nützliches für meine Arbeit: Trends, neue Software-Genres, Produkt-Releases, Innovationen, Forschungsdurchbrüche. Ohne das Push-Prinzip von Pressemitteilungen ginge vieles unter. Redaktionen jeder Größe dürften ohne sie an Grenzen stoßen. Öffentliche Körperschaften und Aktiengesellschaften unterliegen nicht grundlos Mitteilungspflichten.

Nicht jede Unternehmenswebsite funktioniert als Plattform und Besuchermagnet. Wer auf Pressemitteilungen verzichtet, entscheidet sich meist für eine weitgehende Unsichtbarkeit in Fachmedien.“

TONNO DIGITALE: Welche Bedeutung hat für Sie heute die Teilnahme an Pressekonferenzen vor Ort und wie wichtig sind Messebesuche für Sie?

Prather: „Einen oder zwei Tage Abwesenheit für 30 Minuten Inhalt lohnt nur in Einzelfällen, wenn sie die Bedeutung für das Key Account Management ausklammern. Bei Messen sieht es anders aus. Eine effizientere Generation von Wissen, Geschäft und Beziehungen kann ich mir kaum vorstellen.“

TONNO DIGITALE: Was wünschen Sie sich in Zukunft häufiger von PRlern?

Prather: Bitte dünne Texte selbst einstampfen – und nicht mit Umfrage-Ergebnissen strecken. Intern mehr Dampf machen, wenn kein Fachwissen zu greifen ist. Keine Blogbeiträge als Fachinformation vermarkten, ohne zuvor ein Qualitätsmanagement zu applizieren. Außerdem: Helft euren Volos, wenn ihr sie auf Fachmedien ansetzt – deren Zielgruppe mag zahlenmäßig klein sein, die Informationsbedürfnisse sind oft umso anspruchsvoller.

Außerdem: Seid vorsichtig mit dem Textzuschnitt auf die C-Ebene, das wird schnell austauschbar und oberflächlich. Lieber auf die Domänenspezialisten zielen – zumal die meisten Executives aus diesen Rängen aufgestiegen sein dürften.“

TONNO DIGITALE: Wohin wird sich der Fachjournalismus in Deutschland in den kommenden Jahren aus Ihrer Sicht entwickeln?

Prather: „Den Fachjournalimus allgemein möchte ich ungern einschätzen, dazu hat meine Branchenbrille zu dicke Gläser. Unser Journalismus zwischen Technik, IT und Wirtschaft ist hingegen bereits mitten in seiner Transformation, für einen Kurswechsel sehe ich keine Anzeichen. Demnach dürfte sich die Zeitschriftenlandschaft weiter konsolidieren und auch ein wenig neu sortieren.

In ‚überversorgten‘ Themenfeldern werden wohl noch einige Titel die Fahnen streichen oder umstrukturieren. In anderen Bereichen sehe ich durchaus Potenzial. Seit einigen Jahren verlegen wir im Haus die Fachzeitschrift Robotik & Produktion. Es gab zuvor kein Magazin, das fokussiert auf diesen Zukunftsmarkt gerichtet war. Findige Verlage können solche Lücken schließen, ob mit einem Printmagazin, einem Online-Portal oder einer Social Media-Community ist beinahe egal, solange die Strukturen profitabel bleiben. In unseren Inhalten raten wir unseren Leserinnen und Leser aus der Fertigungsindustrie immer wieder dazu, flexibel und agil auf wechselhafte Märkte zu reagieren – das gilt auch für Fachjournalisten.“

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